Es geht kein einziger Arbeitsplatz verloren

Von Jan Cassalette (jan.cassalette@hallo-taxi.de)

 

Wenn wir über den Mindestlohn sprechen, müssen wir auch über Arbeit sprechen. Und wir müssen uns auf einen Punkt einigen, der im 21. Jahrhundert nicht mehr zur Disposition stehen darf: Dass man von seiner Arbeit leben können muss. 


Seit Jahren schrumpfen im Taxigewerbe die Umsätze pro Stunde und Fahrzeug, und bisher machte sich das auch im Geldbeutel des Fahrpersonals bemerkbar: Angestellte, die auf prozentualer Provisionsbasis entlohnt werden, fristeten häufig ein Dasein jenseits der Armutsgrenze. Löhne zwischen 4 und 6 Euro waren keine Seltenheit, und die Mehrwagenunternehmer (und deren Vertretungen) sahen auch keinen Bedarf irgendetwas zu ändern.

Seit dem Jahreswechsel ist das nun anders, diese Form der Ausbeutung Geschichte. Doch gleichzeitig mit der Einführung des Mindestlohnes machte das Schreckgespenst des Arbeitsplatzverlustes die Runde. Doch das ist nicht nur falsch sondern auch ein Widerspruch. Wenn wir uns darauf einigen dass man mit einem Vollzeitjob seine Familie ernähren, seine Miete und seine Steuern zahlen können muss, dann ist ein Arbeitsplatz, der einem das nicht erlaubt, gar keiner. Dieser „Arbeitsplatz“ wäre Ausbeutung, und um die ist es nicht schade.

Gleichzeitig muss sich die Politik natürlich um diejenigen kümmern, die hinten ´rüberfallen. Um die, die bald keine „Arbeit“ mehr haben. Denn die angestellten Fahrerinnen und Fahrer sind diejenigen, die am wenigsten für die Situation verantwortlich sind. 

Schuld sind diejenigen Mehrwagenunternehmer, die den jahrelangen, ruinösen Wettbewerb auf den Schultern des ganzen Gewerbes und vor allem auf denen des eigenen Personals ausgetragen haben. Sie haben ein Überangebot geschaffen, dass für niemanden mehr auskömmlich war und ist. Das Gewerbe hätte dies korrigieren können und müssen. Stattdessen hat man noch im Herbst des letzten Jahres versucht, die Einführung des Mindestlohnes mit einem eilig zusammengeschusterten Tarifvertrag zu verzögern. Mal ganz abgesehen davon dass sich der verhandelnde Bundesverband BZP damit und vor allem mit dem Scheitern nach nicht einmal einem Verhandlungstag bis auf die Knochen blamiert hat. Es hat vor allem gezeigt dass der Verband bis heute nicht verstanden hat dass die Hungerlöhne mit dafür verantwortlich sind, dass das Gewerbe nun vor einem Scherbenhaufen steht. 


Die Einführung des Mindestlohnes war seit Jahren absehbar. Wer als Gewebetreibender in unserer Branche auch heute noch kein Rezept entwickelt hat, seinen Geschäften erfolgreich nachzugehen, der hat das Recht verwirkt, sich Unternehmer nennen zu dürfen. Vielleicht sollte man sie Unterlasser nennen. Denn landauf landab gibt es Beispiele dass es auch anders geht. In Großstädten wie auch auf dem Land. Unternehmer, die ihrem Personal halbwegs ordentliche Löhne zahlen und trotzdem Geld verdienen. Die regelmäßig neue Fahrzeuge anschaffen und Dienstleisungsqualität groß schreiben. Dann hat das Gewerbe auch eine Zukunft!

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Kommentare: 11
  • #1

    Heino Hamel (Samstag, 21 Februar 2015 18:23)

    Ich muss Dir vollkommen Recht geben. Die Unternehmer haben sich in der Vergangenheit nicht bemüht. Von Ausnahmen abgesehen. Und ganz besonders schlimm ist, dass deren Interessenvertretung (!) - die Verbände - sich gleichfalls um nichts gekümmert hat. Im Gegenteil. Sogar jetzt wird noch versucht, über das angebliche "Bürokratiemonster" gegen den Mindestlohn zu Felde zu ziehen. Ob das jetzt erfolgreich ist oder nicht. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben (M.Gorbatschow). Und er hatte Recht damit. Die Unterlasser werden am Ende merken, dass Sie etwas nachlässig mit ihren Möglichkeiten umgegangen sind.

  • #2

    Zitschke (Sonntag, 22 Februar 2015 11:55)

    Ganz und gar richtig! Ein grossteil im Gewersinist wohl bestenfalls Betriebsmittelbereitsteller! (Vergleichbar mit den Glücksspielautomatenaufstellern)
    Und bisher hat es sich ja ausgezahlt. Dank mangelnder Kontrolle der Aufsichtsbehörden. Das muss jetzt ein Ende haben. Machen wir Druck auf die Behörden. Setzen wir unser Recht ggü den Betriebsmittelbereotstellern durch!

  • #3

    hallo14014 (Montag, 23 Februar 2015 00:28)

    Entscheidend für eine ausreichend bekömmliche Situation aller Beteiligten, also Halterschaft, angestellter Fahrer und Kundschaft ist die Gesundheit des Gewerbes. Die über die Jahrzehnte - insbesondere durch die Mehrwagenunternehmen - aufgebauten riesigen Marktüberkapazitäten haben eine Situation entstehen lassen, in der sowohl der regelkonforme Unternehmer als auch der angestellte Taxenfahrer nicht legal wirtschaften und überleben haben können.

    Ein betriebswirtschaftlicher Indikator dafür ist der durchschnittliche zeitliche Auslastungsgrad der Taxenflotte von regelmäßig unter 30 Prozent in Großstädten. Ein permanentes zeitliches Überangebot von 300 bis 350 Prozent auf der Anbieterseite schmälert die Einnahmen aller Markteilnehmer und drückt die erzielbaren Stundenumsätze auf ein Niveau von 10 und 15 Euro herunter. Damit ist legales Arbeiten und Leben nicht möglich!

    Und noch einmal: Welcher Handwerksmeister in Deutschland beschäftigt permanent 30 bis 35 Mitarbeiter, wenn er in den letzten Jahrzenten lediglich Aufträge für die Auslastung von 10 Mitarbeitern hatte?

    Ergo: Das Taxengewerbe hat ein eklatantes Produktivitätsproblem. Derzeit muß die Kundschaft durch überteuerte Fahrpreise die immensen Leer- und Standzeiten gezwungenermaßen mit bezahlen und den vielfach schlechten Service durch unmotiviertes oder ungeeignetes Personal gleich dazu.

    Ebenso muß künftig die berechtigte Frage gestellt werden, welchem (Selbst-)Zweck das gesamte Taxengewerbe dienen soll. Wenn in einer Großstadt wie Bremen über 50 Prozent aller Konzessionen in die Hände von lediglich 10 Familien fallen, dürfen sich alle unsere Bemühungen nicht nur darum drehen, alle etablierten Teilnehmer künstlich länger im System halten zu wollen.

    Wenn eine notwendige Rückbesinnung auf die wesentlichen Aufgaben und Tugenden des gesamten Taxengewerbes, möglicherweise verbunden mit einer schmerzhaften Marktbereinigung von überwiegend unlauter arbeitenden Riesenbetrieben (Stichwort: “Schmutzkonkurrenz“), ausbliebe, wird es dramatisch enden.

    In den letzten beiden Jahrzehnten hat das Taxengewerbe einen regelrechten Braindrain erlebt: Fitte Fahrer und clevere Unternehmer haben dem Gewerbe scharenweise den Rücken gekehrt. Der Kunde blieb auf der Strecke. Fahrvergnügen: Fehlanzeige.
    Aber nicht nur straßenseitig ist vieles schief gelaufen, auch in den Zentralen, bei Verbänden und Politik und Verwaltung wurde mehr weg geschaut und selbstverwaltet - meist nur Missstände. Auf Politik und Verwaltung ist nur begrenzt einzuwirken und es benötigt einem sehr langen Atem.

    Also müßten Zentralen und Verbände das Zepter in die Hand nehmen und endlich tätig werden. Doch auch dort finden wir überwiegend nur Mitläufer und Mittäter. Wer stellt denn die Frage nach der notwendigen Grundqualifikation eines Vorstandes oder Verbandsheinis. Die Akademikerquote in deutschen Zentralen und Verbänden liegt bei null Prozent. Und Vordenker und Visionäre gab es hier noch nie.

  • #4

    Nils (Montag, 23 Februar 2015 11:13)

    Zentralen sind meisstens absolut ungeignet um für das Gewerbe und die Fahrer tätig zu werden , ihre Hauptaufgabe sehen sie doch darin Umsatz zu machen , Aufträge zu verkaufen . Tugend und Moral bleibt da auf der Strecke . Verbände halte ich für überaltert und geistig unflexibel .
    Ein gewisses Überangebot in schwachen zeiten ist in ballungsräumen kaum zu vermeiden , allein der Fixkostendruck zwingt viele MWU ihre Flotte auf die Straßen zu drängen .

  • #5

    Rolf (Montag, 23 Februar 2015 12:22)

    Bei einer der Logik folgenden erstrebenswerten Grund auslastung von z.B. 60 bis 70% hätten wir ein “gesundes“ Überangebot von 30 bis 40%, bei immerhin doppelten Einnahmen pro Stunde zum derzeit herrschenden Niveau von lediglich 10 bis 15 Euro/Stunde. Ergo: Mindestlohn bequem darstellbar – auch ohne Tricksereien, sowie ein angemessener Umsatz für den selbstfahrenden Unternehmer.

    Der selbstfahrende Einzelunternehmer hat einen viel höheren Fixkostendruck, da er seine Taxe i.d.R. nicht mehrschichtig t und rund um die Uhr fahren läßt. Er ist derjenige, der in der Vergangenheit auf der Strecke geblieben ist. Der klassische Einzelunternehmer muß sich durch extrem überlange Arbeitszeiten selber ausbeuten oder den Beschiß der Großen nacheifern. System: “Zwangs-Kriminalisierung“ oder der Ehrliche ist der Dumme.

    Das Verhalten der meisten großen Mehrwagenunternehmen war der Vergangenheit als asozial zu bezeichnen. Nur durch Lohndumping bis über die Schmerzgrenze hinaus, konnten sie ihre Gewinne einfahren, zumeist mit Hilfe von Harzern (Monatsanmeldung 150,- Euro bei 60 Std. Arbeitszeit pro Woche), Lohnaufstockern und Alimente-Verweigerern usw.

    Das Grundproblem im Taxengewerbe ist die Schwarzarbeit und das Schwarzgeld. So lange Großbetriebe weiterhin einfaches Spiel haben, wird sich im System Taxigewerbe nichts ändern können. Die Deutsche Volksgemeinschaft zahlt gigantische Summen in Form von künstlichen Sozialtransfers im Milliardenbereich, um das Taxengewerbe in seiner bestehenden Form aufrecht zu halten.

    Davon profitieren neben den besagten Fahrern überwiegend die großen Betriebe der Branche. Auch zu Lasten der selbstfahrenden Unternehmer, aber diese haben es scheinbar noch nicht bemerkt, so wie unsere Zentralen- und Verbandsfürsten.

    (Danke für die Kommentarfunktion!)

  • #6

    Jörg (Montag, 23 Februar 2015 15:47)

    @hallo14014:

    Ich kann dir nur Recht geben, ich fahre seit 15 Jahren Taxi und kenne die Problematik. Ich verbringe während der Arbeitszeit viel Zeit damit, einfach nur herumzustehen und auf Kunden zu warten. Auch die Kollegen sind der gleichen Problematik ausgesetzt. Die Auslastung ist einfach zu gering. Hier in München wird zwar noch viel Taxi gefahren, dafür gibt es jedoch auch verhältnismäßig viele Taxen. Ob das nun 200 oder 300% Überangebot sind, kann ich nicht genau sagen, aber auf alle Fälle zu viel. Und jetzt kommen auch noch die ganzen Privatfahrer von Uber dazu, was die Situation nicht gerade verbessert. Da bekomm ich echt einen Hals! Seit neuestem gibt es hier in München allerdings ein neues Unternehmen, das meiner Meinung nach die Situation echt verbessern könnte. Die nennen sich shäre-a-taxi (www.share-a-taxi.com) und können mit ihrer App Fahrgäste vereinen, die in die selbe Richtung fahren wollen. Ich habe jetzt schon ein paar so Fahrten gehabt und das war echt angenehm, der Fahrgast selbst regelt das alles, ich bekomme mein Geld und fahre auch noch weitere Strecken. Ich denke da kann unsere Branche dadurch wieder gestärkt werden, weil mehr Menschen wieder und öfter Taxi fahren und das alles auch viel produktiver ist. Das haben mir auch meine Fahrgäste bestätigt, die eigentlich sonst kaum Taxi fahren, aber seit es diese Möglichkeit gibt, wieder oft und gerne ein Taxi nehmen. Damit können wir uns wie ich glaube auch gegen Uber behaupten.

  • #7

    Cabbi (Montag, 23 Februar 2015 17:25)

    Für mich sind hauptsächlich die Behörden Schuld da diese sich zu wenig um das Taxigewerbe kümmern. Außer Hamburg, wo durch Kontrollen viele schwarze Schafe von der Bildfläche verschwunden sind. Und das ohne Konzessionsstop!
    Man kann die Schuld hier nicht nur auf die Mehrwagenunternehmer schieben. Wer gute Arbeitsbedingungen schafft, hat auch einen Zulauf an Fahrern weil es sich rumspricht. Das der seinen Betrieb vergrößert, liegt in der Natur des Unternehmers. Das andere Unternehmer lieber "kreativ" arbeiten, keine Taxen abschaffen obwohl sie zuwenig Fahrpersonal haben und finanzielle Engpässe, ist das Problem.
    Jeder Arbeitnehmer soll gutes Geld verdienen, ohne Zweifel. Aber ohne Anreize, Leistung zu bringen und ohne Kontrollmöglichkeit für einen Unternehmer, dass der Fahrer auch wirklich eine Arbeitsleistung erbringt und sich z. B. nicht an wenig frequentierten Halteplätzen aufhält, ist das eine schwierige Sache.

  • #8

    Holger Steffen (Montag, 23 Februar 2015 21:42)

    Hat die IHK ein Interesse an einer Gesundschrumpfung des Taxigewerbes, haben die Taxiverbände ein Interesse an einer Reduzierung des Fahrzeugzahl, hat die Berufsgenossenschaft ein Interesse daran das sich das Gewerbe dezimiert oder gar die Zentralen? NEIN! Denn es lebt sich ja ganz gut von den Beiträgen der zahlenden Mitglieder. IHK, Taxiverbände und die BG spielen zudem noch im Anhörungsverfahren bei Konzessionsverlängerungen oder Neubeantragungen eine tragende Rolle. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Die Empfehlungen die sich aus Taxigutachten von neutralen Gutachtern hinsichtlich einer Limitierung der Fahrzeugzahl ergeben, werden behörderlicherseits auch nicht sonderlich ernst genommen. Wenn wir uns nicht gegenseitig über den Haufen schießen, bleibt alles so wie es ist. Der Mindestlohn wird mit noch mehr Schwarzarbeit und Steuerverkürzung kompensiert werden, wenn er denn überhaupt ohne Tricks und doppelten Boden gezahlt wird. Bis Schäubles Task Force ( Finanzkontrolle Schwarzarbeit ) personell auf Ist-Stärke gebracht ist, werden noch ein paar ungetrübte Jahre des fröhlichen Betrügens ins Land gehen. Normalerweise regeln in einer funktionierenden Wirtschaft Angebot und Nachfrage den Preis. Bei einem Überangebot fallen die Preise, ebenso bei sinkender Nachfrage und gleichbleibendem Angebot. Im Taxigewerbe steigen die Preise, trotz Überangebot und sinkender Nachfrage. Daran kann man erkennen wie kaputt diese Gewerbe ist. Ich habe erhebliche Zweifel daran, ob die jüngste Tariferhöhungswelle auch da ankommt, wo sie hingehört. Nämlich bei unserem Fahr-und Funkpersonal. Die Realität wird so aussehen, das die Mehrkohle aus den Tariferhöhungen in die Taschen der Unternehmer wandert. Alles bleibt wie es ist, es wird sich nichts ändern, die Karawane zieht weiter. Die als Horrorszenario an die Wand geworfenen Massenentlassungen finden nicht statt. Wenn überhaupt dann findet eine moderate Taxenreduzierung nur in den ländlichen Räumen statt. In Lübeck ist seit Einführung des Mindestlohnes die Anzahl der Taxen gestiegen und in Städten wie Hamburg oder Berlin werden Taxifahrer nicht entlassen sondern immer noch händerringend gesucht!

  • #9

    Watti (Montag, 23 Februar 2015 22:39)

    Also hier in meiner Großstadt kenne ich nach fast 30 Jahren im Gewerbe als kleiner Einzelhalter alle Großen ganz genau. Von denen arbeit keiner sauber aber alle beschäftigen Schwarzarbeiter. Wenn bei uns am Flieger oder Bahnhof der Zoll kontrolliert drehen 90% aller Taxen hastig ab und suchen das Weite. Warum wohl?

  • #10

    Holger Steffen (Dienstag, 24 Februar 2015 14:39)

    Und so sieht das vom BZP vorhergesagte Taxisterben aus: http://www.nordsee-zeitung.de/bremerhaven_artikel,-Taxifahrer-fuerchten-neue-Konkurrenz-_arid,1622224.html

  • #11

    K.Kurt (Mittwoch, 11 November 2015 14:15)

    Hallo leute!!!!!
    Wenn ihr in der meinung seit am Taxi Gewerbe große geld zu verdienen ist kauft euch doch drei Mercedes E-klasse mit Taxi ausstatung pro stück 50000 €und pro fahrzeug ca 1200 € Versicherung.
    und Alle drei bis vier Jahre Fahrzeug wechseln weil innerstadt haufen kilometer geschrubt hat.
    Dann seit ihr auch bald so reich wie arme Taxi Unternehmern in Deutschland